Tuesday, 21 April 2015

Europa. Oder: Massengrab zum Mittelmeer

Ihr Menschen da draußen die ihr euch aufrecht echauffiert über die letzte Flüchtlingskatastrophe. Ihr und eure bequem selbst gerechte “wenn wir das nur früher gewusst hätten” Manie. Ihr kotzt mich an. Menschen sterben an Europas Aussengrenzen seit Jahrzehnten. Ja, es werden jedes Jahr mehr. Und ja das wirft die Frage nach Gründen auf, und zwar ebenfalls schon seit Jahrzehnten.
“Das Wegsehen in der EU muss aufhören”. Aha. Wer sieht denn weg? Frontex, das Privatunternehmen dem die EU in unserem Namen den Schutz unserer Grenzen aufgetragen hat, jedenfalls nicht. Sie registrieren jeden gesetzwidrigen Grenzübertritt: mit Booten, mit Drohen, mit Kameras, mit Satelliten und Überwachung. “Man” weis bescheid in der EU. Frontex gibt monatliche Berichte ab in Brüssel und man kann es schön nachverfolgen auf deren Website. Über alle die es schaffen und die, die es nicht schaffen: Die verhungern in den “Auffanglagern” in Malilla und Lampedusa, die erfrieren in den Bergen zwischen Ungarn und der Ukraine, die ersaufen im Massengrab zum Mittelmeer.
Da sieht niemand weg, sondern zu. Und auch du kannst es wissen. Du hättest nur wollen müssen. Du wolltest es nicht wissen obwohl du hättest können. Wolltest es nicht wissen weil Wissen, wenn nicht Verantwortung dann zumindest Unannehmlichkeiten mit sich bringt. Weil das was in deinem und meinem Namen jeden Tag geschieht auch mit dir etwas macht. Weil du dich vielleicht beim nächsten Spanienurlaub hättest ekeln könntest im Mittelmeer zu baden. Weil du Stellung beziehen müssen könntest.
Weil Bewusstsein über Ungerechtigkeit nur durch die Offenbarung unangenehmer Tatsachen zu Veränderung führen kann. Zum Beispiel dass Frontex als Privatunternehmen jährlich Millionengewinne einstreicht mit seinem „Schutz“ der EU Grenzen. Dass zu den EU Direktiven gehört, dass Frontex keine Seenotrettung betreibt, sondern Schiffe – auch solche die lecken, Schlagseite haben oder überladen sind - zum Umdrehen zwingt, in letzter Instanz mit Warnschüssen. Dass ein 10 Punkte Plan der Abschreckung und die Verfolgung von Schleppern (7 Punkte) über das Retten von Menschen (2 Punkte) stellt eben doch nur ein selbstgefälliges Medienspektakel ist. Oder dass eine Seenotrettung, so dringend benötigt, Investitionen in Millionenhöhe erfordert, deren Bereitstellung die EU Mitgliedstaaten – in seltener Einigkeit – verweigern.
Du hättest es wissen können. Und du kannst es jetzt wissen. Seit Jahren stellen Netzwerke und Infopoints Zahlen, Fakten, Reportagen und Lebensgeschichten ins Netz zum Lesen, Erfahren, Empathie leben. Also erzähl mir nicht du hättest nichts davon gewusst, verdammt. Das haben wir Deutsche schonmal gesagt, du erinnerst dich. Und jetzt denk mal an deine Geschichtsstunden zurück und überleg dir was “wir haben es nicht gewusst” damals gemacht hat. Was es heute tut; im größten europäischen Massenmord seit Bosnien. Und hör auf mit deiner verdammten Selbstgerechtigkeit.
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Ressourcen für den, der Wissen will: 

www.proasyl.de
http://sea-watch.org/faq/ (mit super Newsletter)
www.akweb.de
www.wir-treten-ein.de
https://www.facebook.com/nobordersnetwork
http://frontex.europa.eu/
http://de.wikipedia.org/wiki/Kein_mensch_ist_illegal