Spotlight: Blätterdach,
grünes Dämmerlicht und der Geruch von vermoderndem Laub. Wie im Regenwald zur
Regenzeit nicht anders zu erwarten regnet es. Sturzbachartig fallen innerhalb
weniger Stunden ganze Seen vom Himmel. Einzelne Tropfen sind nicht mehr auszumachen
– und auch der gern gezogene Vergleich mit Wasserschnüren tut nicht genug.
“Eimerweise” trifft es eher. “Behutsam schleicht sich die Regenzeit ins Land”,
schreibt Edwin Evers zum Beginn des Monsuns in seinen Annalen über Südostasien. Ehrlich
gesagt weis ich nicht, was an diesem Regen behutsam sein soll. Straßen verwandeln
sich in reißende Bäche, die eigentlichen Bäche in weite Ströme voll Abfall und
Dreck und in unseren Kunststudio mit undichtem Dach kann man Papierböotchen
fahren lassen. Seit es vor 2 Wochen das erste Mal geregnet hat, bin ich nicht
mehr richtig trocken gewesen.
Story: Ja, Regenzeit. Es soll keiner sagen, sie wären nicht gewarnt worden. Und
trotzdem übertrifft das hier Erlebte sämtliche Erwartungen. Auch deshalb, weil
trotz aller Widerlichkeiten, das Leben einfach weiter geht. Wenn man, mitten
auf der Strasse von einem Gewittersturm überrascht wird (was, nebenbei bemerkt
wirklich schwierig ist, weil es jeden Tag ca zur gleichen Zeit regnet), fährt
man eben kurz links ran und wirft sich einen Poncho über. Nass wird man darunter
zwar trotzdem, aber immerhin frieren tut man nicht. Dazu kommt, dass man sich
an die Nässe wirklich gewöhnt. Dann wird man eben regelmäßig nass; wirklich
kalt ist es nicht und was solls, ist ja nur Wasser. Es ist ja nicht so, dass es
den ganzen Tag regnet – aber bei 95% Luftfeuchtigkeit seine Klamotten, die
Wohnung oder das Motorrad trockenen lassen zu wollen, ist trotzdem utopisch.
Sich den Spass nicht nehmen lassen – das scheint das unausgesprochene Motto des Monsuns zu sein. Und so sitzen wir Freitag Mittag trotz grauem Himmel und schwarzen Wolken auf dem Motorrad und fahren Richtung Natur. Im Regenwald angekommen heisst es dann: feste Schuhe an, Hut auf und aufpassen, wo man hintritt. 200km von Jogja entfernt und weit weg vom Handyempfang kommen weder Rettungsdienst noch Notarzt, sollte man auf einen Skorpion treten oder von einer Giftschlange gebissen werden. Also Vorsicht. Hinzu kommt, dass ich überhaupt nicht einschätzen kann, wie real die Ängste unseres Tourguides sind, gebissen, bestocken oder anderweitig verletzt zu werden. Auch fallende Kokusnüsse sind ja bekanntlich eine große Gefahr für den ungewappneten Reisenden.
Kaum betreten, verwandelt sich der Wald in eine Oase aus grünen Lichtern, verlockenden Geräuschen und abschreckenden Gerüchen. Wahre Kübel fallen vom Himmel und verwandeln den vorher harten Boden in Sumpf. Vor uns öffnet sich das Dickicht in eine Lichtung aus deren dumpfen Grau Nebel zu aufzusteigen scheint. Doch die Feuchtigkeit vor uns kommt zwar von oben, aber nicht vom Himmel – aus Sandstein, Schlamm und Lianen schälen sich die Konturen einer gigantischen Felswand, an deren Abhang donnernde Bäche in die Tiefe stürzen. Die aufsteigenden Wasserpartikel sind so dicht, dass man weder die Hand vor Augen, noch die potentielle Schlange über sich ausmachen kann. Das Erlebnis im Monsunregen und Nebel im See unterhalb eines Wasserfalls schwimmen zu gehen, verlangt fast nach einer neuen Definition für das Wort “nass”. Jedenfalls spare ich mir so die heutige Dusche.
Auf Grund der feuchten Hitze habe ich mir in den letzen Wochen auch einige dieser typisch tropischen Pilz- und Hautinfektionen eingefangen: außer dem ewigen Jucken eigentlich keine schlimme Angelegenheit, wenn man es denn schafft sich nicht die eigene Haut wegzukratzen. So stelle ich aber auch fest, wie schwierig es ist, sich bei unendlichem Schwitzen und der Abwesenheit heißer Duschen wirklich sauber zu halten. Zwar ist es jeden Tag so heiß, dass warme Duschen irgendwie unsinnig klingen. Aber irgendwie, irgendwann muss der Dreck ja mal ab. Eine Freundin erklärt, wie Indonesier mit dem Feuchtigkeitsproblem umgehen. Die reiben sich nach jeder Mandi (Dusche/Waschen) großzügig mit Babypuder ein. Das dämmt die Feuchtigkeit, und pflegt ausserdem die Haut. So bleibt meine geliebte Niveamilch jetzt also unbeachtet stehen, während ich pro Woche ca 500g Baby verpudere. Nebenbei: Wenn Olivenöl aus Oliven gemacht ist, und Palmöl aus Palmen – wodraus wird dann Babyöl gemacht? Naja.
Auch besuche ich in Jogja zum ersten Mal in meinem Leben ein Fitnesszentrum. Allerdings weniger wegen der Fitness, sondern eher, weil es da einen Pool, heiße Duschen und einen Whirlpool gibt, der sich zur Badewanne umwandelt lässt. In einer mir bisher unbekannten Anwandlung des Europäer-seien-wollens, gehe ich nun also mehrmals die Woche schwimmen und danach heiß duschen oder baden. Vielleicht fühle ich mich auch deshalb von dem Laden angezogen weil es dort vollkommen akzeptabel ist, in Bikini schwimmen zu gehen. Überall anders in Indonesien, oder zumindest auf Java, wo die meisten Einwohner Muslime sind, geht niemand in weniger als Tshirt und Hose schwimmen – häufig gesehen bei Frauen wird auch der Burkini (bei Interesse mal googlen). Zwar schimpft niemand, wenn man im Bikini schwimmen geht, aber man wird abwertend, bisweilen grundheraus hassvoll betrachtet. Und fotografiert. Und so komme ich mir in Schwimmsachen unangenehm gerührt, fast irgendwie ungehörig vor.
Das mit dem Fotografieren ist so wieso so eine Sache. Indonesier lieben Fotos. Egal von was, mit wem, oder welche Qualität. Alles wird dokumentiert, ausgezeichnet, aufgenommen. Da ich als Bule (weißer Ausländer) natürlich auffalle, ist es beinahe unmöglich, auf Java irgendwo hinzugehen, ohne von allen Seiten angesprochen und um ein Foto gebeten zu werden. Beim Verlassen des oben beschriebenen Wasserfalls gibt es eine solche Situation. Kaum erkennt die Gruppe Indonesier vor uns, dass wir Weiße sind, kommen 20 Kameras auf uns zu, Rufe von „miss, Photo; Miss Photo!“ strukturieren für die nächsten 10 Minuten die Szene. Am Anfang wirkt eine solche Popularität schmeichelnd. Aber das Problem ist nicht nur, dass es nie bei nur einem Foto bleibt, sondern auch, dass ein nein als Antwort nicht akzeptiert wird. Sage ich nein und gehe weiter, werde ich trotzdem fotografiert – zerren Kinder und Frauen an meinen Armen, bis ich mich umdrehe und von einem Blitz geblendet werde. Wütend werden hilft nichts. Und trotzdem kann ich nun nachvollziehen, wie mein Kongolesischer Freund sich in einer niederländischen Kleinstadt gefühlt hat, als er sinnreich bemerkte: „Die Leute behandeln mich, als wäre ich ein Zirkustier; oder bestenfalls eine Touristenattraktion“.
Und irgendwie, irgendwo vermisse ich dann eben doch Europa. Nicht das Wetter, oder die Landschaft, oder die sich ewig beschwerenden Menschen. Vielmehr vermisse ich, was im Anthropologie-Jargon eine Kosmologie genannt wird: die Sicherheit eines kulturellen und sozialen Miteinanders in dem man nicht nur die Spielregeln beherrscht, weil man in die Gesten und Verhaltensmuster sozialisiert wurde und gelernt hat, ihnen zu implizit vertrauen, ja sie sogar wiederzugeben. Sondern auch die Sicherheit, dass ein Großteil der Menschen um mich herum, die eigene, grundlegende Weltanschauung teilen, sodass wir eine Basis haben auf der kommuniziert und diskutiert werden kann, ohne vorher Ewigkeiten mit Erklären zu Verbringen. Denn trotz allem Lernens über Java und der Offenheit gegenüber dieser anderen Kosmologie, in die einzutreten ich mich in der Lage und willens sehe.. trotz allem habe ich manchmal das Bedürfnis, nicht auf immer der Hut sein und auf Zehenspitzen zu gehen, oder ewig lächeln zu müssen.
Sicherlich, ich habe inzwischen gelernt, in jedem Raum immer zuerst die Männer zu begrüßen, sie jedoch nie ohne Aufforderung zu berühren; Geld und Essen nur mit der rechten Hand entgegen zunehmen oder zu geben; beim überqueren der Strasse mit der linken Hand scheuchende Bewegungen zu machen, um nicht überfahren zu werden, mich zum Dank und Abschied mit aneinander gelegten Händen zu verbeugen, beim Sitzen niemals die Füße auf andere zu richten, meine Fußsohlen nicht zu zeigen, älteren Männers nicht in die Augen zu sehen.... Aber wenn ich mit Kopfschmerzen und Kater aufwache, einfach nur Hunger habe und einen Kaffee will – dann bin ich in dem Moment weder willens, noch in der Lage mir über die gefühlten 2 Millionen Dinge Gedanken zu machen, die wichtig sind, wenn ich über die Strasse und zum Warung (Katine) gehe.
Sich den Spass nicht nehmen lassen – das scheint das unausgesprochene Motto des Monsuns zu sein. Und so sitzen wir Freitag Mittag trotz grauem Himmel und schwarzen Wolken auf dem Motorrad und fahren Richtung Natur. Im Regenwald angekommen heisst es dann: feste Schuhe an, Hut auf und aufpassen, wo man hintritt. 200km von Jogja entfernt und weit weg vom Handyempfang kommen weder Rettungsdienst noch Notarzt, sollte man auf einen Skorpion treten oder von einer Giftschlange gebissen werden. Also Vorsicht. Hinzu kommt, dass ich überhaupt nicht einschätzen kann, wie real die Ängste unseres Tourguides sind, gebissen, bestocken oder anderweitig verletzt zu werden. Auch fallende Kokusnüsse sind ja bekanntlich eine große Gefahr für den ungewappneten Reisenden.
Kaum betreten, verwandelt sich der Wald in eine Oase aus grünen Lichtern, verlockenden Geräuschen und abschreckenden Gerüchen. Wahre Kübel fallen vom Himmel und verwandeln den vorher harten Boden in Sumpf. Vor uns öffnet sich das Dickicht in eine Lichtung aus deren dumpfen Grau Nebel zu aufzusteigen scheint. Doch die Feuchtigkeit vor uns kommt zwar von oben, aber nicht vom Himmel – aus Sandstein, Schlamm und Lianen schälen sich die Konturen einer gigantischen Felswand, an deren Abhang donnernde Bäche in die Tiefe stürzen. Die aufsteigenden Wasserpartikel sind so dicht, dass man weder die Hand vor Augen, noch die potentielle Schlange über sich ausmachen kann. Das Erlebnis im Monsunregen und Nebel im See unterhalb eines Wasserfalls schwimmen zu gehen, verlangt fast nach einer neuen Definition für das Wort “nass”. Jedenfalls spare ich mir so die heutige Dusche.
Auf Grund der feuchten Hitze habe ich mir in den letzen Wochen auch einige dieser typisch tropischen Pilz- und Hautinfektionen eingefangen: außer dem ewigen Jucken eigentlich keine schlimme Angelegenheit, wenn man es denn schafft sich nicht die eigene Haut wegzukratzen. So stelle ich aber auch fest, wie schwierig es ist, sich bei unendlichem Schwitzen und der Abwesenheit heißer Duschen wirklich sauber zu halten. Zwar ist es jeden Tag so heiß, dass warme Duschen irgendwie unsinnig klingen. Aber irgendwie, irgendwann muss der Dreck ja mal ab. Eine Freundin erklärt, wie Indonesier mit dem Feuchtigkeitsproblem umgehen. Die reiben sich nach jeder Mandi (Dusche/Waschen) großzügig mit Babypuder ein. Das dämmt die Feuchtigkeit, und pflegt ausserdem die Haut. So bleibt meine geliebte Niveamilch jetzt also unbeachtet stehen, während ich pro Woche ca 500g Baby verpudere. Nebenbei: Wenn Olivenöl aus Oliven gemacht ist, und Palmöl aus Palmen – wodraus wird dann Babyöl gemacht? Naja.
Auch besuche ich in Jogja zum ersten Mal in meinem Leben ein Fitnesszentrum. Allerdings weniger wegen der Fitness, sondern eher, weil es da einen Pool, heiße Duschen und einen Whirlpool gibt, der sich zur Badewanne umwandelt lässt. In einer mir bisher unbekannten Anwandlung des Europäer-seien-wollens, gehe ich nun also mehrmals die Woche schwimmen und danach heiß duschen oder baden. Vielleicht fühle ich mich auch deshalb von dem Laden angezogen weil es dort vollkommen akzeptabel ist, in Bikini schwimmen zu gehen. Überall anders in Indonesien, oder zumindest auf Java, wo die meisten Einwohner Muslime sind, geht niemand in weniger als Tshirt und Hose schwimmen – häufig gesehen bei Frauen wird auch der Burkini (bei Interesse mal googlen). Zwar schimpft niemand, wenn man im Bikini schwimmen geht, aber man wird abwertend, bisweilen grundheraus hassvoll betrachtet. Und fotografiert. Und so komme ich mir in Schwimmsachen unangenehm gerührt, fast irgendwie ungehörig vor.
Das mit dem Fotografieren ist so wieso so eine Sache. Indonesier lieben Fotos. Egal von was, mit wem, oder welche Qualität. Alles wird dokumentiert, ausgezeichnet, aufgenommen. Da ich als Bule (weißer Ausländer) natürlich auffalle, ist es beinahe unmöglich, auf Java irgendwo hinzugehen, ohne von allen Seiten angesprochen und um ein Foto gebeten zu werden. Beim Verlassen des oben beschriebenen Wasserfalls gibt es eine solche Situation. Kaum erkennt die Gruppe Indonesier vor uns, dass wir Weiße sind, kommen 20 Kameras auf uns zu, Rufe von „miss, Photo; Miss Photo!“ strukturieren für die nächsten 10 Minuten die Szene. Am Anfang wirkt eine solche Popularität schmeichelnd. Aber das Problem ist nicht nur, dass es nie bei nur einem Foto bleibt, sondern auch, dass ein nein als Antwort nicht akzeptiert wird. Sage ich nein und gehe weiter, werde ich trotzdem fotografiert – zerren Kinder und Frauen an meinen Armen, bis ich mich umdrehe und von einem Blitz geblendet werde. Wütend werden hilft nichts. Und trotzdem kann ich nun nachvollziehen, wie mein Kongolesischer Freund sich in einer niederländischen Kleinstadt gefühlt hat, als er sinnreich bemerkte: „Die Leute behandeln mich, als wäre ich ein Zirkustier; oder bestenfalls eine Touristenattraktion“.
Und irgendwie, irgendwo vermisse ich dann eben doch Europa. Nicht das Wetter, oder die Landschaft, oder die sich ewig beschwerenden Menschen. Vielmehr vermisse ich, was im Anthropologie-Jargon eine Kosmologie genannt wird: die Sicherheit eines kulturellen und sozialen Miteinanders in dem man nicht nur die Spielregeln beherrscht, weil man in die Gesten und Verhaltensmuster sozialisiert wurde und gelernt hat, ihnen zu implizit vertrauen, ja sie sogar wiederzugeben. Sondern auch die Sicherheit, dass ein Großteil der Menschen um mich herum, die eigene, grundlegende Weltanschauung teilen, sodass wir eine Basis haben auf der kommuniziert und diskutiert werden kann, ohne vorher Ewigkeiten mit Erklären zu Verbringen. Denn trotz allem Lernens über Java und der Offenheit gegenüber dieser anderen Kosmologie, in die einzutreten ich mich in der Lage und willens sehe.. trotz allem habe ich manchmal das Bedürfnis, nicht auf immer der Hut sein und auf Zehenspitzen zu gehen, oder ewig lächeln zu müssen.
Sicherlich, ich habe inzwischen gelernt, in jedem Raum immer zuerst die Männer zu begrüßen, sie jedoch nie ohne Aufforderung zu berühren; Geld und Essen nur mit der rechten Hand entgegen zunehmen oder zu geben; beim überqueren der Strasse mit der linken Hand scheuchende Bewegungen zu machen, um nicht überfahren zu werden, mich zum Dank und Abschied mit aneinander gelegten Händen zu verbeugen, beim Sitzen niemals die Füße auf andere zu richten, meine Fußsohlen nicht zu zeigen, älteren Männers nicht in die Augen zu sehen.... Aber wenn ich mit Kopfschmerzen und Kater aufwache, einfach nur Hunger habe und einen Kaffee will – dann bin ich in dem Moment weder willens, noch in der Lage mir über die gefühlten 2 Millionen Dinge Gedanken zu machen, die wichtig sind, wenn ich über die Strasse und zum Warung (Katine) gehe.
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